Interview CulturaLatina Mai 2019

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INTERVIEW CULTURALATINA

SONIA MONTIEL DE MUHM 15 MAI 2019

 
Interview CulturaLatina Mai 2019

Mag. Marie-Christine Giuliani-Sterrer, systemische Therapeutin und Kommunikationstrainerin begann mit 19 Jahren als Radiomoderatorin bei Ö3, wechselte dann zum Fernsehen und moderiert eine ganze Reihe beliebter Shows und Sendungen im ORF. Als Psychotherapeutin arbeitet sie in ihrer Praxis Psy19.wien. Weiters ist sie als langjährige Mentorin im „Club alpha“ tätig, verheiratet und Mutter eines Sohnes.

1918 bekamen Frauen in Österreich das Recht zu wählen. 1919 konnten Frauen das erste Mal wählen und gewählt werden. Wie sehen Sie diese Entwicklung aus politischer und gesellschaftlicher Sicht?

Ich finde dieses Jubiläum „100 Jahre Frauenwahlrecht“ aus unterschiedlichen Aspekten sehr wichtig. So hat der Beruf etwas mit Berufung zu tun und jeder Mensch sollte die Möglichkeit bekommen, seine in ihm schlummernden Talente zu entdecken und zu leben. Früher war dies den Frauen oft verwehrt. Mit dem Recht auf Selbstbestimmung können wir uns weiterentwickeln und unsere Stärken leben. Da Frauen in der Erziehung unserer Kinder eine große Rolle spielen, ist es doppelt wichtig, dass diese von einer Person erzogen werden, die ihre Berufung auslebt und so den zukünftigen Frauen und Männern eine ganz andere Energie mitgeben kann.

Wichtig ist zu erkennen, wozu man da ist, wozu man da sein möchte, womit man den größten Anteil seiner Lebenszeit verbringen will und das ist der Beruf. Ich finde es großartig was Frauen für uns geschafft haben und zum Teil sogar manchmal ihr Leben dabei verloren. Es macht mich oft traurig, wenn ich sehe, dass vieles noch immer nicht so funktioniert, wie wir es gerne hätten. Vor allem der Respekt der Männer für die Frauen ist nicht wirklich besser geworden. Wir haben sehr viele Rechte und wir dürfen viel machen, aber noch sind wir im Beruf benachteiligt und auch familiär gibt es nach wie vor eine Benachteiligung.

Auf dem Papier haben Frauen die gleichen Rechte und Freiheiten wie Männer, doch kulturell, in den Köpfen der Menschen, haben wir diese Gleichstellung noch nicht. Ich erlebe das in meinem Beruf als Psychotherapeutin immer wieder. Frauen in einer Ehekrise werden von der Gesellschaft ganz anders behandelt als Männer. Eine Frau die sich trennen möchte, verliert oft ihren Freundeskreis und wird von den Männern abgelehnt.

Wenn ein Mann in dieser Situation ist, bekommt er dabei viel weniger Probleme und fällt dabei nicht so leicht durch den sozialen Rost und das wirklich schlimme dabei ist: Es spricht darüber eigentlich niemand. Wir haben sicher schon viel erreicht, aber vieles ist noch nicht ganz in unseren Köpfen angekommen. Ich hoffe, dass in Zukunft die Männer mit den Frauen anders umgehen und auch die Kindererziehung in einem anderen Licht sehen und sie an dieser Aufgabe gerne teilhaben, damit unsere Kinder erleben, dass Mama und Papa wirklich gleich sind. Nur so kann sich etwas langsam in unserer Gesellschaft verändern, denn dieses Verhaltensmuster ist schon seit hunderten Generationen epigenetisch in uns verankert.

Was ist Epigenetik?

Epigenetik ist alles, was in der Familie angehäuft, alles was gelebt und erlebt worden ist, was er- und geschaffen wurde. All dies beeinflusst uns und die nächsten Generationen. Man kann es sich vielleicht so vorstellen: Wir haben einen Bauplan aus dem man genetisch jedes Haus bauen kann, ein Hochhaus, ein Bauernhaus oder eine Kirche. Die Epigenetik ist aber der Grund dafür, was aus uns geworden ist. Als systemische Familientherapeutin erklärt sich mit der Epigenetik, warum eine Familienaufstellung funktioniert, wenn man spürt, dass man die Person gefunden hat, die sie in der Aufstellung darstellt, das ist die Epigenetik.

Sie machen auch Kameratraining mit ihren Klienten?

Beim Kameratraining versuche ich die individuellen Stärken einer Person heraus zu finden, dass was jemand gut kann. Diese persönlichen Stärken versuche ich so zu fördern, dass die Moderation oder Präsentation auf den eigenen Stärken aufbaut.

Wie kann man seinen Selbstwert verbessern?

Beim Selbstwert geht es um den Wert, den ich für mich beanspruche. Es geht dabei nicht darum, was andere von mir denken, sondern was ich denke, worauf ich stolz bin, woran ich noch arbeite. Die meisten Menschen sagen, sie haben so wenig Selbstwert. Das kommt, weil sie sich ständig mit Anderen vergleichen, was aber nicht förderlich ist. Schön ist es, andere Menschen zu beobachten, wie sie etwas machen und wenn sie damit erfolgreich sind, sie vielleicht zu fragen, davon zu lernen und daran zu wachsen.

Hinter jedem Gesicht verbirgt sich eine ganze Welt. Was meinen Sie damit?

Wir haben so viele Vorurteile und Vorstellungen, die wir in uns tragen. Diese Vorurteile sind etwas historisch Gewachsenes und können uns helfen, rasch in einer gefährlichen Situation Entscheidungen zu treffen. Leider nützen wir heute diese Fähigkeit oft nur noch zum Aburteilen, dabei verlieren wir aber sehr viel, was wir lernen können, denn hinter jedem Gesicht verbirgt sich nicht nur, was ich gerade darüber denke, sondern viel mehr. Das heißt, wenn wir unseren Geist öffnen und nicht jemanden gleich in eine Schublade stecken, haben wir die Chance von unserem Gegenüber so viel zu lernen, was wir nicht sehen und was wir nicht begreifen können. So können wir unseren Horizont erweitern. Damit meine ich, hinter jedem Gesicht sieht man ohne Vorurteil eine ganze Welt.

Welche Pläne haben sie in der Zukunft?

Meine interdisziplinäre Ordination ist ein Zentrum in der Gatterburggasse 6, 1190 wien, es heißt Psy19.wien. Mit dabei sind hier: Frau OÄ PRIV.-Dozentin Dr. Beate Schrank MSc,PhD, Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin; Frau Julia Pagels BA pth, Psychotherapeutin und Yoga Trainerin; Frau Mag Dagmar Khom, Spezialistin für TCM und Bioenergetik.

Systemische Psychotherapie, Coaching und Kommunikationstraining ist eine neue interdisziplinäre psychotherapeutische Ordination, wo ich mit Psychotherapeuten, Heilmasseuren und Psychiatern zusammenarbeite.

Freiheit ist, wie wir mit dem umgehen, was uns widerfährt. Jean-Paul Sartre